Albtraum Vergessene Revision

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Es war irgendwann während meiner ersten Trainingsstunden im Bremen ACC, dem Strecken-Kontrollzentrum für den Unteren Luftraum über Norddeutschland. Ich hatte die theoretische Ausbildung zum Fluglotsen an der Flugsicherungsschule in München abgeschlossen und bestanden, zu jener Zeit war die Flugsicherungsschule noch am alten Flughafen Riem in München. Dort mussten alle neuen Aspiranten für die Flugsicherungsberufe viel Theorie in sich hineinstopfen: Grundlagen der Flugsicherung, Gesetzeskunde, Grundlagen der Navigation, Wetterkunde, Luftfahrtkunde, Staffelungsverfahren und vieles mehr.

Nach all dieser Theorie wurden wir zur praktischen Ausbildung an verschiedene Kontrollstellen verteilt, in meinem Fall nun Bremen ACC. Hier wurde ich in eines der Schichtteams gesteckt und 2 Kollegen zugeteilt, meinen „Coaches“. Die beiden würden mich nun an den diversen Kontroll-Arbeitsplätzen ausbilden, sie waren verantwortlich für alles, was ich tun würde und sie mussten eingreifen, wenn Dinge aus dem Ruder laufen sollten.

In Bremen musste man zuerst die Ausbildung auf den „Coordinator“ Plätzen absolvieren. Das Training war beendet, wenn man eine praktische Überprüfung, den sogenannten „Check Out“ ohne Fehler bestanden hatte, dann bekam man seine Arbeitsplatz-Zulassungen oder Lizenzen für die bestandenen Kontrollpositionen und konnte eigenverantwortlich, ohne weitere Beaufsichtigung, dort arbeiten. Das Radar-Training auf den Radar-Arbeitsplätzen würde folgen, aber das war noch in weiter Ferne.

Jetzt erst einmal musste ich lernen, was die Arbeit auf dem „Coordinator“ ausmacht: Alle relevanten Daten für jeden Flieger, der in dem eigenen Sektor kontrolliert wurde, mit dem „Nächsten“, also dem nächsten Sektor oder Kontrollstelle, in den/die der Flieger von unserem Sektor aus einfliegen würde, absprechen, oder entsprechende Informationen oder Daten von den „Vorigen“ Sektoren oder Kontrollstellen entgegennehmen, von denen wir Flieger erwarteten. Wenn sich Änderungen an den koordinierten Daten und Informationen ergeben würden, wie andere Flughöhen, Veränderungen an der erwarteten Überflugzeit über einem Navigationspunkt, Abweichungen von der vorgesehenen Flugroute, mussten diese Änderungen natürlich auch ausgetauscht werden. Diese Änderungen wurden „Revision“ genannt, und ich lernte bald, wie wichtig eine Revision sein kann.

Ich trainierte auf einem der Ost-Sektoren von Bremen ACC. Er umfasste einen Luftraum nördlich von Hannover bis hinauf nach Hamburg. Angrenzend an diesen Sektor waren andere Kontrollsektoren von Bremen ACC im Süden, Westen und Norden. Unter diesem Luftraum waren die Anfluggebiete von den Flughäfen Hannover und Hamburg, darüber der obere Luftraum, der von Maastricht UAC kontrolliert wurde. Im Osten lag die Grenze zur damaligen DDR, eine Grenze die niemand und kein Luftfahrzeug überqueren durfte. Einzige Ausnahme von dieser Regel waren die 3 Korridore nach Berlin. Von denen kontrollierten wir in unserem Sektor den Einflugpunkt in den nördlichen Korridor. Dieser Einflugpunkt war BKD (Brünkendorf) VOR.

Der Koordinationspartner für den nördlichen Korridor war Air Safety Center in West-Berlin, eine gemeinsame Kontrollzentrale, die von den Alliierten betrieben wurde. Mit ihnen mussten wir natürlich auch alle Koordinations-Prozeduren befolgen, so wie mit allen anderen. In den Korridoren durften Flieger nur bis zu einer Höhe von 10 000 Fuss operieren. Im nördlichen Korridor war es die Praxis, dass in östliche Richtung ungerade Flughöhen plus 500 Fuss geflogen wurde, in westliche Richtung dann gerade Flughöhen plus 500 Fuss. So würde ein Flug aus Berlin in unseren Sektor in FL 85 (8500 Fuss) oder in FL 65 (6500 Fuss) einfliegen, tiefere Höhen kamen im Nord-Korridor so gut wie gar nicht vor.

Wir erwarteten eine Pan Am 727 (Rufzeichen Clipper) aus Berlin auf ihrem Flug nach Hamburg, sie war angekündigt über BKD zu irgend einer Zeit in FL 85. Wie mit jedem Partner auch, würde sich etwas an dieser Ankündigung ändern, würden wir eine Revision von Air Safety Center erhalten.

Zur gleichen Zeit wurde über Lüneburg Fallschirmspringen geübt. Das war ein paar Meilen nordwestlich von BKD. Dort sprangen Schüler, die das Abspringen lernen sollten, aus kleineren Fliegern heraus, wobei sich ihre Schirme automatisch öffneten, wenn sie den Flieger verließen. Diese Flieger brauchten eine Freigabe von Bremen ACC, um ihre Springer abzusetzen, und diese Freigabe bekamen sie von unserem Sektor. Und der Mensch, der diese Freigabe erteilen musste, war – ich!

Es hatte sich eingebürgert, diesen Fallschirm-Zirkus „Deppenwerfen“ zu nennen! Als der Flughafen Lüneburg an meinem Platz anrief und wissen wollte, ob ihr Flieger die Springer absetzen dürfe, war ich nicht sicher was ich nun tun sollte. Mein Coach war geduldig: „ … jetzt schau dir mal die Lage an. Haben wir irgendeinen Traffic, der mit den Springern in Konflikt steht? – Nein! Und aus welcher Höhe wollen die ihre Springer absetzen? – FL 70. Und in welcher Höhe kommt der Clipper? – FL 85. Also???? Sag denen, sie können ihre Deppen rausschmeißen!“ So gab ich halt die Freigabe.

Wir konnten die Absetz-Maschine auf unserem Radar sehen und wir sahen auch den Clipper, wie er sich BKD näherte, aber wir sahen nur ein Symbol von ihm, da es zu jener Zeit noch keinen Austausch von Transponder-Codes gab. Wenn er auf unserer Welle auftauchte, würden wir ihm einen von unseren Codes geben und damit würde er dann mit Rufzeichen und Höhe auf unserem Schirm erscheinen, also positiv identifiziert werden. Das Flugzeug aus Lüneburg war mit Rufzeichen und stabiler Höhe FL 70 auf dem Schirm dargestellt.

Dann wurde die Funkfrequenz lebendig und eine unwirsche Stimme rief „Bremen, this is Clipper 123 at FL 65 – – What the hell is all that crap in front of my windschield?!“ (Bremen, hier ist Clipper 123, was zum Teufel ist dieses Zeug vor meiner Windschutzscheibe) – Unser Herzschlag setzte aus!

Was war passiert? Offensichtlich kam der Clipper in einer anderen Höhe, als wir ihn erwarteten. Und die armen Sprungschüler, nachdem sie aus ihrem Flieger geschmissen worden waren und unter ihren automatisch aufgegangen Schirmen hingen, sahen sich plötzlich mit diesem Monster einer 727 konfrontiert, welche durch die Wolke der Fallschirme bürstete! Die armen Kerle haben wohl buchstäblich versucht, an ihren Fäden hochzuklettern!

Plötzlich wurde um uns herum nur noch gebrüllt. Mein Coach brüllte, die Nachbarsektoren brüllten, der Wachleiter brüllte, der Clipper-Captain brüllte auf der Welle, das Telefon klingelte hektisch und als ich ranging – brüllte da auch einer! Aber nach ein paar Minuten stellte sich heraus, keiner kam zu Schaden, außer ein erhöhter Adrenalinspiegel bei der Crew der 727, den Sprungschülern, meinem Coach und mir. Puh!

Nachdem sich alles beruhigt hatte, wurde ermittelt. Was war passiert? Es lief darauf hinaus, dass Air Safety Center in Berlin – eine Revision vergessen hatte! Offenbar hatte der Clipper eine Höhenänderung durchgeführt. Möglicherweise hatte es im Korridor in FL 85 gewackelt, und er hatte bei Berlin einen Sinkflug nach FL 65 beantragt und bekommen, dieses war von Berlin aber nicht weitergegeben worden. Schließlich meinte mein Coach: „Siehst du wie wichtig eine richtige Revision ist!“ Das habe ich mir gemerkt …

Deppenwerfen
Deppenwerfen

Gutes Wetter

Düsseldorf Tower

Gutes Wetter
Gutes Wetter

Allgemein wird angenommen, Fliegen bei schlechtem Wetter ist schwieriger oder gefährlicher als bei gutem Wetter. Das kann man so nicht sagen, Fliegen bei gutem Wetter kann auch verdammt gefährlich sein.

Tower Düsseldorf, gutes Wetter, Sonnenschein, ganz wenig Wind, keine Wölkchen am Himmel. Ein perfekter Tag. Bei so einem Wetter, also Sicht bis zum Anschlag, da kommen die Flieger dann per Anflug auf Sicht rein und lassen die Navigationshilfen, wie das ILS nur so nebenbei mitlaufen. Das Zauberwort ist dann: „we have the field in sight.“ (wir sehen die Landebahn)
Dann bekommen sie die Landefreigabe und alles läuft.

Nicht so beim Clipper aus New York an diesem Tag.
Die Anflugkontrolle meldet die Boeing 707, einen vierstrahligen Jet, bei zehn Meilen. Das bedeutet, der Clipper wird auf die Towerfrequenz geschickt.
Er meldet sich auch sofort und meldet „field in sight“.
Er bekam daraufhin die Landefreigabe.
Das Problem für uns war allerdings, dass der Flieger auch nach zwei Minuten nicht zu sehen war.

Jetzt hätte er schon über dem Outermarker, einem Funkfeuer kurz vor dem Aufsetzpunkt, sein müssen, aber nichts. Wir riefen den Clipper und fragten nach seiner Position.
Antwort des Clipper: „landing“.
Das konnte aber nicht sein, die Bahn war frei.
Ulli sagte nur: „Essen, der ist in Essen runter, scheiße!“

Ulli hatte Recht, wie ein Anruf beim Tower in Essen ergab. Die große Maschine war gerade noch auf der Bahn zum Stehen gekommen. Die Landebahn hat ihn auch getragen, der Flieger ist nicht eingesunken.
Dazu muss man wissen, dass die Bahn in Essen nur für Flugzeuge bis 5,7 Tonnen zugelassen war. Die Bahn war also sehr stabil gebaut und hat die über 100 Tonnen ausgehalten, erstaunlich.

Wie konnte ein erfahrener Pilot Essen mit Düsseldorf verwechseln, das hatten wir noch nie.
Essen lag etwa 3 Meilen nördlich der Anfluglinie für Düsseldorf, die Bahn war zu unserer fast parallel. Der Pilot des Clippers wurde von Approach bei 15 Meilen vor dem Aufsetzpunkt der Düsseldorfer Bahn mit einer Linkskurve auf die Anfluglinie gedreht. Dabei sieht der Pilot dann die Bahn von Essen. Er gleicht seine Bahnerkennung nicht mit den Anfluginstrumenten ab und geht davon aus, das ist meine Bahn und richtet seinen Anflug entsprechend ein. Auf der Towerfrequenz meldet er dann die Bahn zu sehen.

Wir, auf dem Düsseldorfer Tower hatten keine Chance den Irrtum zu bemerken, denn da Essen ca. 6 Meilen nordwestlich liegt und der Clipper im Anflug schon recht niedrig war, war kein Sichtkontakt durch uns möglich. Wie sagt man so schön, eine Verkettung unglücklicher Umstände.

Die Kollegen in Essen haben die Boeing 707 aus Sicherheitsgründen am Ende der Bahn stehen lassen, keiner wusste, ob die Taxiways auch so stabil gebaut waren. Die Passagiere konnten dann nach einer Stunde aussteigen. Ja, es dauerte eine Stunde bis die Treppe von Düsseldorf nach Essen gekarrt war.

Eines war mal klar, die Chance so eine große Maschine wieder aus Essen in einem Stück rauszukriegen war sehr gering. Die Landung grenzte schon an ein Wunder, aber ein Start auf der kurzen Bahn, unmöglich.
Das bedeutete Essen ist geschlossen, lange geschlossen, sehr lange.

Wir mussten natürlich diesen Vorfall ins Wachbuch eintragen und nach Braunschweig melden. Luftfahrtbundesamt Braunschweig, die untersuchen solche Vorfälle.
Auch auf uns kamen Interviews zu, denn wir waren ja Beteiligte. Wenn es schlecht läuft, dann hängen die uns noch irgendein Fehlverhalten an. Da landet so ein Hirni in Essen und wir werden dafür verknackt, die Aussicht war nicht verlockend. Unsere Befürchtungen bewahrheiteten sich nach zwei Stunden, da stand der Wachleiter der Radarkontrolle mit zwei Polizisten in der Tür und die ließen uns bis zur Ablösung nicht mehr aus den Augen. Dann wurden alle Beweismittel, also die Kontrollstreifen des Clipper eingesammelt und wir drei wurden im Aufenthaltsraum verhört, hochoffiziell.

Einige Tage später, die Untersucher aus Braunschweig waren da, wurde der ganze Vorfall noch mal im Tower nachgestellt. Den Clipper mimte die HS 748, ein zweimotoriger Prop, der von der Flugsicherung zur Vermessung eingesetzt wurde. Dieser Flieger wurde nun von Approach genau so geführt, wie es die Auswertung der Radardaten ergeben hatte. Die Vorfalluntersucher passten jetzt genau auf, ob und wie wir dieses Missgeschick des Clipper hätten verhindern können.

Das fanden wir ganz schön unfair, denn die hatten alle Zeit der Welt und, die wussten ja vorher auf was sie achten mussten. Es ist bisher nie ein Flieger nach Düsseldorf in Essen gelandet, dass so was passiert, da waren wir uns einig, darauf konnten wir nicht gefasst sein, es also auch nicht verhindern.
Die Zeit von Erteilung der Landefreigabe bis zur Frage, wo bleibt er denn, hätte zur Landung in Essen schon gereicht.
Da kommt man einfach nicht drauf, dass so was passieren kann.

Nachdem das Manöver drei mal durchgespielt worden war und die Maschine wirklich, auch für die Untersucher, nicht vom Tower aus zu sehen war, beschossen die Herren, die Aufzeichnungen des Funkverkehrs des Tower mit dem Clipper bei einem weiteren Versuch zeitlich genau zuzuspielen. Sie wollten uns also anhängen, wir hätten zu spät reagiert.
Als auch das sich als nicht haltbar herausstellte, waren wir vorerst wohl sicher.
Wir hatten alles richtig gemacht, Gott sei Dank.
Pilotenfehler.

Währenddessen zerbrachen sich die Techniker der Pan Am die Köpfe, wie kriegen wir den Flieger da wieder raus und zwar so, dass der Flieger nicht zerstört wird und nicht mehr eingesetzt werden kann. Ist ja auch eine Geldfrage, so ein Flieger ist nicht billig. Frage: Woran erkennt man eine gute Landung? Antwort: Daran, dass man den Flieger danach noch verwenden kann!

Nach zwei Wochen kam die Entscheidung. Zuerst wollte man die Tragflächen entfernen und den Flieger dann auf der Straße nach Düsseldorf transportieren, zusammenbauen und wieder nutzen.
Das wurde aus zwei Gründen verworfen, erster, zu teuer, zweiter, der Flieger hätte dann einen umfangreichen Zulassungmarathon über sich ergehen lassen müssen.
Man entschied sich dafür, den Flieger zu strippen, also alles auszubauen, das irgendwie entbehrlich war, dann nach Düsseldorf zu fliegen und alles wieder einzubauen.

Die Technik hatte ein maximales Gewicht für einen Start in Essen ausgerechnet, das Gewicht galt es zu erreichen. Dabei war man aber nicht ganz sicher, ob die Bahnlänge auch reichen würde. Beruhigend.
Wir bekamen davon dadurch was mit, dass wir die Fahrzeuge mit den ausgebauten Teilen zur Halle 8 zu sehen bekamen.
Dann war es soweit, der Tag des Starts war da.

Wir auf dem Tower hatten vor den Flughafen Düsseldorf für 1400 Uhr für zwei Stunden zu sperren. Der Clipper sollte um 1415 Uhr von zwei Boeing Testpiloten den kurzen Satz nach Düsseldorf wagen.
Alles verlief planmäßig, die Berechnungen stimmten und der Clipper erschien am Horizont und landete perfekt in Düsseldorf.

Es dauerte drei Wochen, bis der Flieger wieder zusammengebaut war und ohne Passagiere nach New York entschwand.

Nicht immer ist schlechtes Wetter ein Problem, es gibt auch bei gutem Wetter welche.

Auf den Punkt

Sonntagsfahrverbot

Düsseldorf

US Airways
US Airways

Anfang der 70er gab es die Ölkrise. Um Benzin zu sparen wurde deutschlandweit ein Sonntagsfahrverbot beschlossen. Leider hatten die Politiker vergessen auch ein entsprechendes Sonntagsflugverbot anzuordnen.
Das musste ja zu Schwierigkeiten für uns führen.

Und das führte zu Schwierigkeiten, erstmal, weil unsere „belle etage“ anscheinend davon nicht informiert wurde und somit keinerlei Sondergenehmigungen für uns beantragt hatte. Eigentlich auch wieder logisch, denn sonntags hatte die „belle etage“ ja frei, wozu dann Sondergenehmigungen.
Anscheinend hatten sie, die für unsere Verwaltung zuständig sind, uns komplett vergessen.

Am ersten autofreien Sonntag ging das mit dem „Zum Dienst Fahren“ noch einigermaßen sicher zu, denn die Leute glaubten wohl noch nicht so richtig daran und verzichteten auf die Nutzung der Straßen für die ungewöhnlichsten Zwecke.
Leider hatte die Polizei, die hatten Sondergenehmigungen, keinerlei Lust auf Ausnahmen.

Ich wohnte zu der Zeit in Gerresheim, bis nach Lohausen war ein weiter Weg mitten durch die Stadt. Also jede Menge Möglichkeiten für die Polizei mal nachzufragen, ob ich denn ne Sondergenehmigung hätte.

Hatte ich nicht. Die erste Kontrolle verlief noch gesittet, Frage nach der Sondergenehmigung, ok, keine, Anschiss, Protest, Dienst, Dienstausweis, Aha, na, dann sehen wir mal, Wachleiter anrufen, geht nicht direkt, Zentrale über Funk, Telefonnummer durchgeben, warten.

Dann – Zentrale sagt, ja, der muss zum Dienst. Super. Polizei sagt, ok, der muss zum Dienst, aber doch nicht mit dem Auto, schon mal vom Fahrverbot gehört? Meine Antwort: Schon, aber die Krankenwagen fahren doch auch nicht mit der Bahn! Schade – Verschissen! Auto parken, Bahn fahren. Gut, Versuch: Auto geparkt, Polizisten gebeten Wachleiter anrufen zu lassen und Verspätung durchzugeben. Hinweis: Amtshilfe. Antwort Zentrale – fahren lassen, denn der Wachleiter ist böse, sehr böse.
Nachdem mir die Beamten noch Gute Fahrt gewünscht hatten, durfte ich weiter.
Ich wurde das Gefühl nicht los, dass dieser Wunsch nicht aufrichtig gemeint war.

War er auch nicht, nicht mal zwei Kilometer weiter, Polizei, Kelle, Anschiss.
Es wiederholte sich das Szenario von eben, etwas kürzer, denn die Zentrale drang auf Schnelligkeit.
Ich war wieder unterwegs. Nicht lang, Polizei.
Historisch gesehen, einer der Tage, an dem endlich mal genug Streifen im Einsatz waren.
Es gab dann, also nach dieser, nur noch eine Kontrolle, aber im Ergebnis hätte ich auch bei der ersten schon mit der Bahn fahren können, die Verspätung wäre die gleiche gewesen.

Das Problem ist, die Kollegen müssen auf die Ablösung warten, die sitzen solange bis alle da sind. Weiteres Problem, die Kollegen, die wir von der Spätschicht ablösten, waren vom Frühdienst und daher vor den Polizeikontrollen mit dem Auto hergekommen.
Der Wachleiter war ratlos, er meinte, zum Dienst, ja, das kann er durchsetzen, aber nach Hause?
Historisch – es war das erste Mal, dass ein komplettes Team, unter entsprechend derben Sprüchen, mit der Bahn und dem Bus nach Hause fuhr und am nächsten morgen mit der Bahn und dem Bus zum Dienst kam.

Bis zum nächsten autofreien Sonntag war eine Woche. Geradezu unter Einsatz ihres Lebens schaffte die „belle etage“ es dann am Freitag die Sondergenehmigungen im Kontrollzentrum zu hinterlegen. Blöd nur, alle, die am Freitag keinen Dienst hatten, aber am Sonntag erscheinen sollten, hatten keine Sondergenehmigung. Ich hatte keinen Dienst am Sonntag, hörte aber von herzzerreißenden Szenen auf den Straßen Düsseldorfs, von fluchenden Kollegen und verzweifelten Polizeibeamten.

Dann, endlich – Hurra, ich hatte eine Sondergenehmigung und am nächsten Sonntag Spätdienst. Ich dachte, jetzt flutscht ´s, Polizei hält dich an, Wisch zeigen, weiterfahren. Super. Soweit der Plan.
Leider wird man immer wieder von der Gegenwart eingeholt, so auch hier.

Da ich meine Genehmigung hatte und mit der Polizei zeitsparend umgehen wollte, fuhr ich nur eine halbe Stunde früher als sonst los, erster Fehler.
Das Problem war nicht die Polizei, auf der ganzen Fahrt keine Kontrolle, enttäuschend, ich hatte doch den Wisch, da hätten die sich auch mal Mühe geben können. Das Problem waren die Leute auf den Straßen, die hatten sich an die autofreien Sonntage gewöhnt und die Straßen entsprechend anders verplant.
Es gab kein Durchkommen, Beschimpfungen durch die Menschen, Arschloch, Depp und noch viel mehr. Auf der Straße, Grillfeste, Eisenbahnen? Hockey, Flohmarkt, Sitzmöbel. Einfach alles, was man sich vorstellen kann.
Zudem war es verdammt gefährlich, denn all die Leute auf den Straßen hatten alles andere auf dem Schirm, aber eben keine Autos. Kinder, Haustiere und völlig konsternierte Leute, ein Auto, heute, hier, der muss verrückt sein, das gibt ’s doch nicht.
Und – keine Polizei, die Jungs hätten wenigstens dem Wachleiter die Verspätung mitteilen können.

Historisch – kein Auto auf den Straßen, aber auch keine Strecke, Angst aus dem Auto gezogen zu werden, man denkt an lynchen und mehr.
Nur noch getoppt durch den Anschiss meines Wachleiters.

Man glaubt es kaum, aber es gab Leute, die sich über das Ende des autofreien Sonntags aus völlig anderen Gründen als dem Ende der Benzineinsparung und wieder sprudelndem Öl freuen konnten.

Ich war einer davon.

Sonntagstohuwabohu

SAR

Abfertigung
Abfertigung

Der Tower in Düsseldorf, mein Lieblingsarbeitsplatz, war schon was Besonderes. Viele meinen ja, dort spiele sich die gesamte Flugsicherung ab, das ist aber ein Irrtum, der Tower ist nur für die An- und Abflüge zuständig.

Auf dem Tower gab es in der Normalbesetzung den Towerlotsen, der die Flieger in der Luft betreute, den Bodenlotsen, der alles Rollende kontrollierte und den Assistenten, der für die Koordination und die Freigaben verantwortlich war. Diese drei waren die eigentlichen Herrscher über den gesamten Flughafen, nichts geschah ohne ihre Erlaubnis und wichtiger, niemand konnte ihnen reinreden, ihr Wort war Gesetz.

So ergab sich, dass Ulli und ich zur Nachtschicht anrückten. Die Nachtschichten wurden nur von zwei Leuten gefahren denn Nachtschichten auf dem Tower waren alles andere als aufregend, es war, nach den beiden Postflügen aus Berlin eher langweilig, stinklangweilig. Denn der Airport war in Ruhezustand, nicht passierte bis zum frühen Morgen.

Dunkel, Lichter aus und Ruhe.

Im Nachtdienst auf dem Tower vereinbarte man vorher, wer sich hinlegen durfte, eine Etage tiefer gab es einen Ruheraum. Um die Zeit bis zum morgen totzuschlagen hatten wir die verschiedensten Hobbys, wie Großkreisberechnung oder Modellflugzeuge bauen, uns zu eigen gemacht. Ulli beschäftigte sich mit seinem neuen Taschenrechner, der erste, den man programmieren konnte, ich baute an meiner Tante Ju. Nach zwei Stunden verschwand Ulli nach unten.

Ich bastelte noch als sich plötzlich auf der Notfrequenz (121,5 MHz) ein Heulen hören ließ. Das Heulen kannte ich, es war ein Notfallsender. Jeder Flieger hat so ein Teil an Bord und im Falle eines Unfalls sendete es dieses Heulen aus.

Das Heulen verriet also nicht Gutes.

Schon ging das Telefon und die Rettungsleitstelle für Luftrettung aus Köln – Wahn wollte wissen, ob ich das Heulen auch hörte, was ich bestätigte.

Ulli hatte wohl das Telefon leise gestellt, er ging einfach nicht dran. Köln wollte nun meine Peilung des Automatischen Richtungsfinders haben.

Um den Heulsender zu lokalisieren, riss ich auch die Luftaufsicht des Flughafens Essen aus dem Schlaf und bat um seine Peilung. Die gab ich dann an Köln weiter und kurze Zeit später gab mir Köln als Position des Heulers unser GAT durch.

Nur zwei Minuten später rief Köln wieder an und bestätigte den Start ihres SAR – Helikopters in Köln.

Der ganze Flughafen schien zu schlafen, den einzigen, der noch wach war, erwischte ich in der Halle 8, der Hausmeister dort. Die Halle 8 war die Halle der LTU und lag am anderen Ende des Flughafens. Der arme Hausmeister hatte als Fahrzeug nur sein Fahrrad zu Verfügung und ich bat ihn doch mal zur GAT – Halle zu fahren und dort nach dem Rechten zu sehen. Um ihm die Orientierung zu erleichtern, schaltete ich ihm die Befeuerungslampen ein, die ihn sicher dort hin brachten, Funk ging nicht, er hatte kein Funkgerät.

Köln teilte mit, der Heli sei noch 10 Minuten entfernt.

Ab diesem Zeitpunkt war ich nur noch Zuschauer, was vor allem an der fehlenden Kommunikation mit dem Hausmeister lag.

Aber es gab was zu sehen.

Um dem Heli die Orientierung zu erleichtern hatte ich alle verfügbaren Befeuerungslampen des Flughafens auf 100% gestellt. Eine Lightshow mitten in der Nacht.

Der Hausmeister hatte die GAT – Halle erreicht und ist mit seinem Fahrrad darin verschwunden.

Der Heli war auch schon in Sicht, südlich, so zwei Meilen weg.

Der Hausmeister radelte jetzt aus der Halle, auf dem Gepäckträger hatte er den roten Kasten, der den Lärm auf der Frequenz ausgelöst hatte. Der Heli schwang sich gerade über die GAT – Halle und nahm die Verfolgung auf, denn sein Peilgerät zeigte ihm die Position des Senders ja an. Ja, er stürzte sich geradezu auf den einsamen, verängstigten Radler. Der, zu Tode erschrocken, strampelte was das Zeug hielt.

Leider hatte ich mit dem Heli keinen Funkkontakt, konnte dem Radler also nicht direkt helfen.

Aber, der Hausmeister war ein cleveres Kerlchen, er schnallte sofort, dass der Heli hinter ihm her war und wählte daher seinen Weg immer im Schutze von Gebäuden, so dass dem Heli die Sicht auf den Radler oft verstellt war. Es entbrannte ein spannender Wettkampf, Radler gegen Helikopter. Es sah danach aus, dass der Radler gewinnen könnte.

Endlich erreichte der Hausmeister seine Halle 8 und verschwand darin. Der Heli schwebte in 5 Metern Höhe vor der Halle.

Es tat sich sonst nichts mehr.

Plötzlich verstummte das Heulen.

Köln meldete, der Heli geht zurück.

Ein Anruf beim Hausmeister klärte dann die Sache auf. In der GAT–Halle wurde gestern dieser Notsender in die Tragfläche eines Privatjets eingebaut. Dabei hatte wohl ein Techniker vergessen das Ding festzuschrauben und so siegte die Schwerkraft und der Sender plumpste auf den Boden. Seiner Aufgabe gemäß fing er sofort an seinen Notfall lautstark kundzutun.

Der Hausmeister fand dann das Teil und nahm es mit seinem Fahrrad mit. Er kannte sich ganz gut aus und wusste, das Ding trötet so lange, bis ihm der Saft ausgeht. So nahm er sein Beil und zertrümmerte die Kiste, bis sie ruhig war.

Ich verbrachte den Rest der Nacht mit der Formulierung des Wachbucheintrags. Als ich fertig war erschien Ulli verschlafen und fragte was los gewesen sei, er hätte schlecht geschlafen. Ich zeigte ihm das Wachbuch.

Wir konnten schon darüber lachen.

Punkt sechs rief dann Schwester Agnes vom Diakonissenkrankenhaus an und beschwerte sich über den nächtlichen Lärm.

Schwester Agnes war uns bekannt, die beschwerte sich ständig.

SAR

10 Prozent Flug

Flugzeugabfertigung
Flugzeugabfertigung

Acht Monate später, die Sache mit Claudia hatte sich stark verfestigt, beantragte ich meinen ersten 10 Prozent Flug.

Ich beantragte einen Flug Düsseldorf nach Wien über Stuttgart mit der Lufthansa, es sollte unsere Hochzeitsreise sein.
Eine Hochzeitsreise findet normalerweise kurz nach der Hochzeit statt, da es aber sehr lange dauert, bis so ein Flug genehmigt ist, beantragte ich den Flug, bevor die Hochzeit stattgefunden hatte.

Unsere belle etage bemerkte dann auch blitzschnell, nach zwei Wochen, dass Claudia nicht mit mir verwandt war und schloss messerscharf, ein Flug für Claudia könnte nicht beantragt werden.
Auch nach dem Versuch der Aufklärung unserer belle Etage blieben sie bei ihrer Ablehnung. Ab da verhandelte ich direkt mit der Dame in der Lufthansa-Reisestelle in Frankfurt, die sich wesentlich aufgeschlossener zeigte.
Einfache Lösung, die Tickets werden in Düsseldorf bei der Lufthansa-Passage hinterlegt und nach Vorlage der Heiratsurkunde ausgehändigt.
Die Idee war für die belle Etage zu gut und sie bestand darauf, dass die Tickets bei ihr hinterlegt werden müssen.
Die müssen halt was zum Verwalten haben.

Der Polterabend war am Freitag, die Hochzeit am Samstag und der Flug am Sonntag. Sonntags hat die belle Etage frei und sie hatten natürlich nicht auf das Datum geschaut und ne Alternative erdacht.
Durch den heroischen, privaten Einsatz unseres Ausbildungsleiters, der die Tickets in seiner Freizeit aus dem Büro holte, stand dem Flug nichts mehr im Weg.
Dachte ich.

Das Hick-Hack um die Tickets war schon nervig, aber am Flughafen beeindruckte mich meine Frau mit ihren Problemen gewaltig. Sie meinte der Flug nach Wien wäre ausgebucht und wir würden wohl nicht mitkommen.
Wie man weiß, man kann solche Befürchtungen einer Frau nur durch harte Fakten zerstreuen.

Das Prozedere beim Einsteigen war bei Lufthansa so: erst die regulären Passagiere einsteigen, dann wir. Also sehen, wie die Leute einsteigen, es werden immer mehr, die Hoffnung der Frau schwindet mit jedem Passagier, der vorbeigeht. Diese Unsicherheit ist für eine Frau untragbar.
Sie schickte mich also alle paar Minuten, durch die Menschenschlange, zur Mitarbeiterin am Counter um zu fragen, ob denn für uns noch Platz bleibt.
Mit dieser netten Dame habe ich dann ausgemacht, dass wir uns jedes Mal, wenn ich vorbeikomme, freundlich annicken, das half ihr und mir und vorallem meiner Frau.

Doch diese Beruhigung führte bei meiner Frau zu neuen Problemen.
Wir hatten in Wien kein Hotel gebucht!
Was, wenn in Wien Kongresse, Olympische Spiele oder Einwanderungswellen wären?
Ich war ziemlich froh, dass sie nicht wusste, wir kämen wenn, dann erst bis Stuttgart mit, dort begann das Spiel von neuem, denn dort mussten wir zum Anschlussflug.

Wir kamen nach Stuttgart mit. Puh. Auf dem ganzen Flug haben wir dann über die Hotelauslastung in Wien diskutiert.
Eine geradezu nette Abwechslung war da das Bangen in Stuttgart jetzt nach Wien mitzukommen.
Hochzeitsreise hard core.

Der Flug nach Wien war, bis auf die diversen Befürchtungen meiner Frau, ereignislos.
In Wien hatte ich dann richtig Pech, denn kurz nach den Gepäckbändern war ein kleiner Stand mit der Aufschrift „Hotel“. Claudia war nicht zu halten, stürzte sich geradezu auf diesen Stand und hatte blitzschnell ein Hotel gebucht.
Ein Doppelzimmer im Hotel Wandl.
Ich hatte eher die Vorstellung, in die Stadt zu fahren, Hotels und Zimmer anzusehen und entsprechend zu buchen.

Nun gut, wir hatten gebucht, also ab ins Hotel Wandl.
Das Doppelzimmer im Wandl hatte getrennte Betten.
Und das auf der Hochzeitsreise!!!

Es wurde trotzdem eine tolle Hochzeitsreise. Wien war die Reise wert und besonders hat uns das kunsthistorische Museum gefallen.

Man lernt aus Erfahrungen. Die Rückreise verlief, trotz gleicher Einsteigeprozedur, wesentlich entspannter. (Wir wohnten ja auch in Düsseldorf und brauchten daher kein Hotel!)

Zehn Prozent Flug

belle etage

Radarkontrolle Düsseldorf

Radarkontrolle
Radarkontrolle

Was kann man sich geruhsamer vorstellen, als einen Spätdienst an einem 31. Dezember in der Flugsicherungsleitstelle Düsseldorf, um halb drei Uhr nachmittags, eingeteilt beim FIS. FIS, das ist ein Arbeitsplatz mit Radar und einer Funkfrequenz und der Aussicht auf wenig Arbeit.

Der 31. Dezember ist sowieso ein „Totentag“, die Linienverbindungen sind stark reduziert und von den Privatpiloten ist auch kaum einer unterwegs.
So haben mein Freund Dave, ein Engländer, der bei der Flugsicherung als „Runner“ arbeitet, und ich unser Schachbrett aufgestellt.
Dave spricht noch eben die ATIS auf, so, jetzt ist erstmal 20 Minuten Ruhe.
Dave hat zwar dafür keine Zulassung, hört sich aber als gebürtiger Engländer richtig gut an.

Ja, kann man sich heute nicht mehr vorstellen, aber Anfang der 70er, zu Beginn meiner Zeit bei der Flugsicherung, war das noch so geruhsam.
Zu der Zeit hatte Düsseldorf so um die 12 Linienflüge am Tag, dazu noch zwei nächtliche Postflüge, alles Propellermaschinen. Für Insider, es waren Vickers Viscount, Super Connies, Elektras und andere Props.

Dave und ich schachten also, wir wollten bis um vier fertig sein, denn dann beginnt die erste Pause, bis halb sechs. Eigentlich war zu dieser Zeit die Flugsicherung ein geruhsamer Job, aber wie immer neigen die Deutschen dazu, Dinge unnötig zu komplizieren.

Radarkontrolle spielt sich in abgedunkelten, meist fensterlosen Räumen ab, die Zugangskontrollen sind streng.
Ab und an schaffte es eine Besuchergruppe sich Zugang zu verschaffen und wird dann als geführte Horde auf den Affenfelsen, einer Empore an der Stirnseite des Kontrollraumes geführt.
Besucher auf dem Affenfelsen hatten bei uns noch die britischen Kollegen, Soldaten zur Kontrolle der britischen Lufträume innerhalb des Düsseldorfer Kontrollgebiets, auf einer Seite des Kontrollraums an ihren Geräten zu bestaunen. Die Jungs hatten natürlich Uniformen an und sahen sehr adrett aus, was unsere „belle etage“ auf die grandiose Idee brachte, das gesamte Kontrollpersonal in Anzüge mit Schlips und Kragen stecken zu wollen. Es sähe für Besucher einfach besser und seriöser aus, argumentierten sie.
Nun ist das Kontrollpersonal, aufgrund der extrem harten Auswahl, der komplexen Ausbildung, der großen Verantwortung und nicht zuletzt wegen der daraus resultierenden Selbstsicherheit ein sehr eigenes Völkchen.
Daher lässt sich auch nachvollziehen, dass Betriebspersonal keine Debatten mit der „belle etage“ führt, sondern seinen Standpunkt durch Aktionen klarstellt.

So ergab es sich, dass heute alle Lotsen und Assistenten gekleidet waren wie im Karneval.
Dave hatte ein T-Shirt mit dem Abbild eines nackten Oberkörpers einer Frau an, ich trug ein Shirt mit aufgemaltem Anzug mit Schlips und Kragen.
Auch alle anderen Kollegen hatten Hütchen auf oder waren sonst wie auffällig gekleidet.

In den 70er Jahren war es noch üblich, dass der Leiter der Flugsicherung (LDF]), der oberste Verwalter zu besonderen Feiertagen persönlich erschien und allen sein schweißnasses Händchen drückte.
Wozu, das bleibt bis heute sein Geheimnis, wir konnten gut darauf verzichten, aber heute war die Gelegenheit für unseren Maskenball günstig, denn der LDF wurde erwartet.
Zu seinem Unglück hatte er heut’ zur Feier des Tages den Boss der Flughafengesellschaft und den Leiter der Lufthansa Düsseldorf dabei.
Die beiden sahen aus, als ob sie im falschen Film wären, der LDF war eigentlich nur rot im Gesicht, zugegeben sehr rot.
Er flüsterte jedem Einzelnen zu, „das werde noch unangenehme Konsequenzen haben“.
Das Händeschütteln hatte er allerdings komplett vergessen, so ersparte uns die Maskerade wenigstens das.
Natürlich wurde heftig gefeixt, Dave probierte sich im Bauchtanz und ich mimte einen Kellner.
Die Briten waren nur cool, die waren immer cool.
Wir stellten uns vor, wie der LDF den Gästen erklärte, dass das, was sie da gesehen hatten, nicht der Normalzustand in der Kontrolstelle war. Da wollten wir Mäuschen gewesen sein.

Das Ganze hatte natürlich keine Konsequenzen, aber leider nicht wegen der Maskerade, sondern weil für Berufskleidung kein Geld da war.

Der FIS – Arbeitsplatz war solange ein geruhsamer, bis die Privatpiloten merkten, da sitzt ja einer nur für uns. Also hatte ich alle Hände voll damit zu tun Speedy, einem Düsseldorfer Unterweltskönig, in seiner Bonanza zu Platz zu leiten. Dave meinte, eines Tages werden die uns noch bitten einen Tisch im Restaurant für sie zu buchen und Menüvorschläge zu machen.
Darüber machte ich mir keine Gedanken, denn ich musste ja sowieso hier sitzen. Speedy hatte es dann doch geschafft und rechtzeitig zur Ablösung den Platz erreicht.
Dave schlug vor zu sich nach Hause zum Kaffee zu fahren und kündigte uns schon bei seiner Frau an.

Die Engländer, eine kleine aber höchst kompakte Gruppe in Düsseldorf, feierten Silvester auf eine besondere Weise. Die Frauen bleiben zu Hause und die Männer ziehen von Haus zu Haus und wurden von den Frauen bewirtet. Wenn Mann dann nicht mehr weiterkonnte, blieb er einfach wo er war und machte sich später auf den Heimweg. Meist viel später.
Dave meinte ich sollte das mal mitmachen, wäre doch mal was anderes als die Partys, die ich sonst so zu Silvester feiere.
Das Problem dabei ist die Ungewissheit wo man dann, wegen Bewegungsunfähigkeit, endgültig landet.
Hat man dazu, so wie ich am nächsten Tag um neun wieder Dienst, berücksichtigt man weiterhin, 12 Meter (Stunden) vor dem Dienst keinen Alkohol mehr zu sich zu nehmen, da war mir die Sache doch viel zu gefährlich. Ich tendierte eher dazu, die Einladung von Peter anzunehmen und auf seine Fete in Bottrop zu gehen.
Zu meinem Glück traf ich beim Dave zuhause Claudia, die Freundin seiner Frau. Die hatte auch wenig Lust, sich den ganzen Abend von den unterschiedlich besoffenen Engländern anmachen zu lassen, denn, wie Daves Frau mir sagte, lief es immer darauf hinaus. Also verabredete ich mit ihr um sie nach dem Spätdienst mit nach Bottrop zu nehmen.
Der Spätdienst ging zu Ende, die Fete in Bottrop verlief sehr einseitig, claudialastig würde ich sagen, kurz, Claudia und ich waren zusammen.

Bei solchen Events wird die Zeit immer knapp und es reichte nur noch zum schnellen Frühstück im Bottropper Bahnhof. Dann der Dienst.
Dave sah wirklich nicht gut aus, aber es war ihm hoch anzurechnen, dass er den Dienst angetreten hatte und auch durchhielt, obwohl er weder gut zu Fuß noch sehr gesprächig war, an Schach war nicht zu denken.
Mir ging es körperlich auch nicht so gut, das wurde aber durch angenehme Gedanken an die Ereignisse wettgemacht.

Haus, Klo, Bett, Allohol, Weiber