Sonntagsfahrverbot

Düsseldorf

US Airways
US Airways

Anfang der 70er gab es die Ölkrise. Um Benzin zu sparen wurde deutschlandweit ein Sonntagsfahrverbot beschlossen. Leider hatten die Politiker vergessen auch ein entsprechendes Sonntagsflugverbot anzuordnen.
Das musste ja zu Schwierigkeiten für uns führen.

Und das führte zu Schwierigkeiten, erstmal, weil unsere „belle etage“ anscheinend davon nicht informiert wurde und somit keinerlei Sondergenehmigungen für uns beantragt hatte. Eigentlich auch wieder logisch, denn sonntags hatte die „belle etage“ ja frei, wozu dann Sondergenehmigungen.
Anscheinend hatten sie, die für unsere Verwaltung zuständig sind, uns komplett vergessen.

Am ersten autofreien Sonntag ging das mit dem „Zum Dienst Fahren“ noch einigermaßen sicher zu, denn die Leute glaubten wohl noch nicht so richtig daran und verzichteten auf die Nutzung der Straßen für die ungewöhnlichsten Zwecke.
Leider hatte die Polizei, die hatten Sondergenehmigungen, keinerlei Lust auf Ausnahmen.

Ich wohnte zu der Zeit in Gerresheim, bis nach Lohausen war ein weiter Weg mitten durch die Stadt. Also jede Menge Möglichkeiten für die Polizei mal nachzufragen, ob ich denn ne Sondergenehmigung hätte.

Hatte ich nicht. Die erste Kontrolle verlief noch gesittet, Frage nach der Sondergenehmigung, ok, keine, Anschiss, Protest, Dienst, Dienstausweis, Aha, na, dann sehen wir mal, Wachleiter anrufen, geht nicht direkt, Zentrale über Funk, Telefonnummer durchgeben, warten.

Dann – Zentrale sagt, ja, der muss zum Dienst. Super. Polizei sagt, ok, der muss zum Dienst, aber doch nicht mit dem Auto, schon mal vom Fahrverbot gehört? Meine Antwort: Schon, aber die Krankenwagen fahren doch auch nicht mit der Bahn! Schade – Verschissen! Auto parken, Bahn fahren. Gut, Versuch: Auto geparkt, Polizisten gebeten Wachleiter anrufen zu lassen und Verspätung durchzugeben. Hinweis: Amtshilfe. Antwort Zentrale – fahren lassen, denn der Wachleiter ist böse, sehr böse.
Nachdem mir die Beamten noch Gute Fahrt gewünscht hatten, durfte ich weiter.
Ich wurde das Gefühl nicht los, dass dieser Wunsch nicht aufrichtig gemeint war.

War er auch nicht, nicht mal zwei Kilometer weiter, Polizei, Kelle, Anschiss.
Es wiederholte sich das Szenario von eben, etwas kürzer, denn die Zentrale drang auf Schnelligkeit.
Ich war wieder unterwegs. Nicht lang, Polizei.
Historisch gesehen, einer der Tage, an dem endlich mal genug Streifen im Einsatz waren.
Es gab dann, also nach dieser, nur noch eine Kontrolle, aber im Ergebnis hätte ich auch bei der ersten schon mit der Bahn fahren können, die Verspätung wäre die gleiche gewesen.

Das Problem ist, die Kollegen müssen auf die Ablösung warten, die sitzen solange bis alle da sind. Weiteres Problem, die Kollegen, die wir von der Spätschicht ablösten, waren vom Frühdienst und daher vor den Polizeikontrollen mit dem Auto hergekommen.
Der Wachleiter war ratlos, er meinte, zum Dienst, ja, das kann er durchsetzen, aber nach Hause?
Historisch – es war das erste Mal, dass ein komplettes Team, unter entsprechend derben Sprüchen, mit der Bahn und dem Bus nach Hause fuhr und am nächsten morgen mit der Bahn und dem Bus zum Dienst kam.

Bis zum nächsten autofreien Sonntag war eine Woche. Geradezu unter Einsatz ihres Lebens schaffte die „belle etage“ es dann am Freitag die Sondergenehmigungen im Kontrollzentrum zu hinterlegen. Blöd nur, alle, die am Freitag keinen Dienst hatten, aber am Sonntag erscheinen sollten, hatten keine Sondergenehmigung. Ich hatte keinen Dienst am Sonntag, hörte aber von herzzerreißenden Szenen auf den Straßen Düsseldorfs, von fluchenden Kollegen und verzweifelten Polizeibeamten.

Dann, endlich – Hurra, ich hatte eine Sondergenehmigung und am nächsten Sonntag Spätdienst. Ich dachte, jetzt flutscht ´s, Polizei hält dich an, Wisch zeigen, weiterfahren. Super. Soweit der Plan.
Leider wird man immer wieder von der Gegenwart eingeholt, so auch hier.

Da ich meine Genehmigung hatte und mit der Polizei zeitsparend umgehen wollte, fuhr ich nur eine halbe Stunde früher als sonst los, erster Fehler.
Das Problem war nicht die Polizei, auf der ganzen Fahrt keine Kontrolle, enttäuschend, ich hatte doch den Wisch, da hätten die sich auch mal Mühe geben können. Das Problem waren die Leute auf den Straßen, die hatten sich an die autofreien Sonntage gewöhnt und die Straßen entsprechend anders verplant.
Es gab kein Durchkommen, Beschimpfungen durch die Menschen, Arschloch, Depp und noch viel mehr. Auf der Straße, Grillfeste, Eisenbahnen? Hockey, Flohmarkt, Sitzmöbel. Einfach alles, was man sich vorstellen kann.
Zudem war es verdammt gefährlich, denn all die Leute auf den Straßen hatten alles andere auf dem Schirm, aber eben keine Autos. Kinder, Haustiere und völlig konsternierte Leute, ein Auto, heute, hier, der muss verrückt sein, das gibt ’s doch nicht.
Und – keine Polizei, die Jungs hätten wenigstens dem Wachleiter die Verspätung mitteilen können.

Historisch – kein Auto auf den Straßen, aber auch keine Strecke, Angst aus dem Auto gezogen zu werden, man denkt an lynchen und mehr.
Nur noch getoppt durch den Anschiss meines Wachleiters.

Man glaubt es kaum, aber es gab Leute, die sich über das Ende des autofreien Sonntags aus völlig anderen Gründen als dem Ende der Benzineinsparung und wieder sprudelndem Öl freuen konnten.

Ich war einer davon.

Sonntagstohuwabohu