Der Tower in Düsseldorf, mein Lieblingsarbeitsplatz, war schon was Besonderes. Viele meinen ja, dort spiele sich die gesamte Flugsicherung ab, das ist aber ein Irrtum, der Tower ist nur für die An- und Abflüge zuständig.
Auf dem Tower gab es in der Normalbesetzung den Towerlotsen, der die Flieger in der Luft betreute, den Bodenlotsen, der alles Rollende kontrollierte und den Assistenten, der für die Koordination und die Freigaben verantwortlich war. Diese drei waren die eigentlichen Herrscher über den gesamten Flughafen, nichts geschah ohne ihre Erlaubnis und wichtiger, niemand konnte ihnen reinreden, ihr Wort war Gesetz.
So ergab sich, dass Ulli und ich zur Nachtschicht anrückten. Die Nachtschichten wurden nur von zwei Leuten gefahren denn Nachtschichten auf dem Tower waren alles andere als aufregend, es war, nach den beiden Postflügen aus Berlin eher langweilig, stinklangweilig. Denn der Airport war in Ruhezustand, nicht passierte bis zum frühen Morgen.
Dunkel, Lichter aus und Ruhe.
Im Nachtdienst auf dem Tower vereinbarte man vorher, wer sich hinlegen durfte, eine Etage tiefer gab es einen Ruheraum. Um die Zeit bis zum morgen totzuschlagen hatten wir die verschiedensten Hobbys, wie Großkreisberechnung oder Modellflugzeuge bauen, uns zu eigen gemacht. Ulli beschäftigte sich mit seinem neuen Taschenrechner, der erste, den man programmieren konnte, ich baute an meiner Tante Ju. Nach zwei Stunden verschwand Ulli nach unten.
Ich bastelte noch als sich plötzlich auf der Notfrequenz (121,5 MHz) ein Heulen hören ließ. Das Heulen kannte ich, es war ein Notfallsender. Jeder Flieger hat so ein Teil an Bord und im Falle eines Unfalls sendete es dieses Heulen aus.
Das Heulen verriet also nicht Gutes.
Schon ging das Telefon und die Rettungsleitstelle für Luftrettung aus Köln – Wahn wollte wissen, ob ich das Heulen auch hörte, was ich bestätigte.
Ulli hatte wohl das Telefon leise gestellt, er ging einfach nicht dran. Köln wollte nun meine Peilung des Automatischen Richtungsfinders haben.
Um den Heulsender zu lokalisieren, riss ich auch die Luftaufsicht des Flughafens Essen aus dem Schlaf und bat um seine Peilung. Die gab ich dann an Köln weiter und kurze Zeit später gab mir Köln als Position des Heulers unser GAT durch.
Nur zwei Minuten später rief Köln wieder an und bestätigte den Start ihres SAR – Helikopters in Köln.
Der ganze Flughafen schien zu schlafen, den einzigen, der noch wach war, erwischte ich in der Halle 8, der Hausmeister dort. Die Halle 8 war die Halle der LTU und lag am anderen Ende des Flughafens. Der arme Hausmeister hatte als Fahrzeug nur sein Fahrrad zu Verfügung und ich bat ihn doch mal zur GAT – Halle zu fahren und dort nach dem Rechten zu sehen. Um ihm die Orientierung zu erleichtern, schaltete ich ihm die Befeuerungslampen ein, die ihn sicher dort hin brachten, Funk ging nicht, er hatte kein Funkgerät.
Köln teilte mit, der Heli sei noch 10 Minuten entfernt.
Ab diesem Zeitpunkt war ich nur noch Zuschauer, was vor allem an der fehlenden Kommunikation mit dem Hausmeister lag.
Aber es gab was zu sehen.
Um dem Heli die Orientierung zu erleichtern hatte ich alle verfügbaren Befeuerungslampen des Flughafens auf 100% gestellt. Eine Lightshow mitten in der Nacht.
Der Hausmeister hatte die GAT – Halle erreicht und ist mit seinem Fahrrad darin verschwunden.
Der Heli war auch schon in Sicht, südlich, so zwei Meilen weg.
Der Hausmeister radelte jetzt aus der Halle, auf dem Gepäckträger hatte er den roten Kasten, der den Lärm auf der Frequenz ausgelöst hatte. Der Heli schwang sich gerade über die GAT – Halle und nahm die Verfolgung auf, denn sein Peilgerät zeigte ihm die Position des Senders ja an. Ja, er stürzte sich geradezu auf den einsamen, verängstigten Radler. Der, zu Tode erschrocken, strampelte was das Zeug hielt.
Leider hatte ich mit dem Heli keinen Funkkontakt, konnte dem Radler also nicht direkt helfen.
Aber, der Hausmeister war ein cleveres Kerlchen, er schnallte sofort, dass der Heli hinter ihm her war und wählte daher seinen Weg immer im Schutze von Gebäuden, so dass dem Heli die Sicht auf den Radler oft verstellt war. Es entbrannte ein spannender Wettkampf, Radler gegen Helikopter. Es sah danach aus, dass der Radler gewinnen könnte.
Endlich erreichte der Hausmeister seine Halle 8 und verschwand darin. Der Heli schwebte in 5 Metern Höhe vor der Halle.
Es tat sich sonst nichts mehr.
Plötzlich verstummte das Heulen.
Köln meldete, der Heli geht zurück.
Ein Anruf beim Hausmeister klärte dann die Sache auf. In der GAT–Halle wurde gestern dieser Notsender in die Tragfläche eines Privatjets eingebaut. Dabei hatte wohl ein Techniker vergessen das Ding festzuschrauben und so siegte die Schwerkraft und der Sender plumpste auf den Boden. Seiner Aufgabe gemäß fing er sofort an seinen Notfall lautstark kundzutun.
Der Hausmeister fand dann das Teil und nahm es mit seinem Fahrrad mit. Er kannte sich ganz gut aus und wusste, das Ding trötet so lange, bis ihm der Saft ausgeht. So nahm er sein Beil und zertrümmerte die Kiste, bis sie ruhig war.
Ich verbrachte den Rest der Nacht mit der Formulierung des Wachbucheintrags. Als ich fertig war erschien Ulli verschlafen und fragte was los gewesen sei, er hätte schlecht geschlafen. Ich zeigte ihm das Wachbuch.
Wir konnten schon darüber lachen.
Punkt sechs rief dann Schwester Agnes vom Diakonissenkrankenhaus an und beschwerte sich über den nächtlichen Lärm.
Schwester Agnes war uns bekannt, die beschwerte sich ständig.