Düsseldorf Tower
Allgemein wird angenommen, Fliegen bei schlechtem Wetter ist schwieriger oder gefährlicher als bei gutem Wetter. Das kann man so nicht sagen, Fliegen bei gutem Wetter kann auch verdammt gefährlich sein.
Tower Düsseldorf, gutes Wetter, Sonnenschein, ganz wenig Wind, keine Wölkchen am Himmel. Ein perfekter Tag. Bei so einem Wetter, also Sicht bis zum Anschlag, da kommen die Flieger dann per Anflug auf Sicht rein und lassen die Navigationshilfen, wie das ILS nur so nebenbei mitlaufen. Das Zauberwort ist dann: „we have the field in sight.“ (wir sehen die Landebahn)
Dann bekommen sie die Landefreigabe und alles läuft.
Nicht so beim Clipper aus New York an diesem Tag.
Die Anflugkontrolle meldet die Boeing 707, einen vierstrahligen Jet, bei zehn Meilen. Das bedeutet, der Clipper wird auf die Towerfrequenz geschickt.
Er meldet sich auch sofort und meldet „field in sight“.
Er bekam daraufhin die Landefreigabe.
Das Problem für uns war allerdings, dass der Flieger auch nach zwei Minuten nicht zu sehen war.
Jetzt hätte er schon über dem Outermarker, einem Funkfeuer kurz vor dem Aufsetzpunkt, sein müssen, aber nichts. Wir riefen den Clipper und fragten nach seiner Position.
Antwort des Clipper: „landing“.
Das konnte aber nicht sein, die Bahn war frei.
Ulli sagte nur: „Essen, der ist in Essen runter, scheiße!“
Ulli hatte Recht, wie ein Anruf beim Tower in Essen ergab. Die große Maschine war gerade noch auf der Bahn zum Stehen gekommen. Die Landebahn hat ihn auch getragen, der Flieger ist nicht eingesunken.
Dazu muss man wissen, dass die Bahn in Essen nur für Flugzeuge bis 5,7 Tonnen zugelassen war. Die Bahn war also sehr stabil gebaut und hat die über 100 Tonnen ausgehalten, erstaunlich.
Wie konnte ein erfahrener Pilot Essen mit Düsseldorf verwechseln, das hatten wir noch nie.
Essen lag etwa 3 Meilen nördlich der Anfluglinie für Düsseldorf, die Bahn war zu unserer fast parallel. Der Pilot des Clippers wurde von Approach bei 15 Meilen vor dem Aufsetzpunkt der Düsseldorfer Bahn mit einer Linkskurve auf die Anfluglinie gedreht. Dabei sieht der Pilot dann die Bahn von Essen. Er gleicht seine Bahnerkennung nicht mit den Anfluginstrumenten ab und geht davon aus, das ist meine Bahn und richtet seinen Anflug entsprechend ein. Auf der Towerfrequenz meldet er dann die Bahn zu sehen.
Wir, auf dem Düsseldorfer Tower hatten keine Chance den Irrtum zu bemerken, denn da Essen ca. 6 Meilen nordwestlich liegt und der Clipper im Anflug schon recht niedrig war, war kein Sichtkontakt durch uns möglich. Wie sagt man so schön, eine Verkettung unglücklicher Umstände.
Die Kollegen in Essen haben die Boeing 707 aus Sicherheitsgründen am Ende der Bahn stehen lassen, keiner wusste, ob die Taxiways auch so stabil gebaut waren. Die Passagiere konnten dann nach einer Stunde aussteigen. Ja, es dauerte eine Stunde bis die Treppe von Düsseldorf nach Essen gekarrt war.
Eines war mal klar, die Chance so eine große Maschine wieder aus Essen in einem Stück rauszukriegen war sehr gering. Die Landung grenzte schon an ein Wunder, aber ein Start auf der kurzen Bahn, unmöglich.
Das bedeutete Essen ist geschlossen, lange geschlossen, sehr lange.
Wir mussten natürlich diesen Vorfall ins Wachbuch eintragen und nach Braunschweig melden. Luftfahrtbundesamt Braunschweig, die untersuchen solche Vorfälle.
Auch auf uns kamen Interviews zu, denn wir waren ja Beteiligte. Wenn es schlecht läuft, dann hängen die uns noch irgendein Fehlverhalten an. Da landet so ein Hirni in Essen und wir werden dafür verknackt, die Aussicht war nicht verlockend. Unsere Befürchtungen bewahrheiteten sich nach zwei Stunden, da stand der Wachleiter der Radarkontrolle mit zwei Polizisten in der Tür und die ließen uns bis zur Ablösung nicht mehr aus den Augen. Dann wurden alle Beweismittel, also die Kontrollstreifen des Clipper eingesammelt und wir drei wurden im Aufenthaltsraum verhört, hochoffiziell.
Einige Tage später, die Untersucher aus Braunschweig waren da, wurde der ganze Vorfall noch mal im Tower nachgestellt. Den Clipper mimte die HS 748, ein zweimotoriger Prop, der von der Flugsicherung zur Vermessung eingesetzt wurde. Dieser Flieger wurde nun von Approach genau so geführt, wie es die Auswertung der Radardaten ergeben hatte. Die Vorfalluntersucher passten jetzt genau auf, ob und wie wir dieses Missgeschick des Clipper hätten verhindern können.
Das fanden wir ganz schön unfair, denn die hatten alle Zeit der Welt und, die wussten ja vorher auf was sie achten mussten. Es ist bisher nie ein Flieger nach Düsseldorf in Essen gelandet, dass so was passiert, da waren wir uns einig, darauf konnten wir nicht gefasst sein, es also auch nicht verhindern.
Die Zeit von Erteilung der Landefreigabe bis zur Frage, wo bleibt er denn, hätte zur Landung in Essen schon gereicht.
Da kommt man einfach nicht drauf, dass so was passieren kann.
Nachdem das Manöver drei mal durchgespielt worden war und die Maschine wirklich, auch für die Untersucher, nicht vom Tower aus zu sehen war, beschossen die Herren, die Aufzeichnungen des Funkverkehrs des Tower mit dem Clipper bei einem weiteren Versuch zeitlich genau zuzuspielen. Sie wollten uns also anhängen, wir hätten zu spät reagiert.
Als auch das sich als nicht haltbar herausstellte, waren wir vorerst wohl sicher.
Wir hatten alles richtig gemacht, Gott sei Dank.
Pilotenfehler.
Währenddessen zerbrachen sich die Techniker der Pan Am die Köpfe, wie kriegen wir den Flieger da wieder raus und zwar so, dass der Flieger nicht zerstört wird und nicht mehr eingesetzt werden kann. Ist ja auch eine Geldfrage, so ein Flieger ist nicht billig. Frage: Woran erkennt man eine gute Landung? Antwort: Daran, dass man den Flieger danach noch verwenden kann!
Nach zwei Wochen kam die Entscheidung. Zuerst wollte man die Tragflächen entfernen und den Flieger dann auf der Straße nach Düsseldorf transportieren, zusammenbauen und wieder nutzen.
Das wurde aus zwei Gründen verworfen, erster, zu teuer, zweiter, der Flieger hätte dann einen umfangreichen Zulassungmarathon über sich ergehen lassen müssen.
Man entschied sich dafür, den Flieger zu strippen, also alles auszubauen, das irgendwie entbehrlich war, dann nach Düsseldorf zu fliegen und alles wieder einzubauen.
Die Technik hatte ein maximales Gewicht für einen Start in Essen ausgerechnet, das Gewicht galt es zu erreichen. Dabei war man aber nicht ganz sicher, ob die Bahnlänge auch reichen würde. Beruhigend.
Wir bekamen davon dadurch was mit, dass wir die Fahrzeuge mit den ausgebauten Teilen zur Halle 8 zu sehen bekamen.
Dann war es soweit, der Tag des Starts war da.
Wir auf dem Tower hatten vor den Flughafen Düsseldorf für 1400 Uhr für zwei Stunden zu sperren. Der Clipper sollte um 1415 Uhr von zwei Boeing Testpiloten den kurzen Satz nach Düsseldorf wagen.
Alles verlief planmäßig, die Berechnungen stimmten und der Clipper erschien am Horizont und landete perfekt in Düsseldorf.
Es dauerte drei Wochen, bis der Flieger wieder zusammengebaut war und ohne Passagiere nach New York entschwand.
Nicht immer ist schlechtes Wetter ein Problem, es gibt auch bei gutem Wetter welche.