Trotz all der Unsicherheiten, die ein 10% – Flug mit sich bringt, versucht man, seine Chancen durch allerlei Tricks zu verbessern. Wir hatten vor, nach Athen zu fliegen und Kultururlaub zu machen. Nach Athen geht normal eine Boeing 727, also eine recht kleine Maschine mit geringer Kapazität. Es gab da allerdings noch eine andere Möglichkeit, eine DC10-30 ging nach Bombay, mit Zwischenstopp in Athen, zumindest auf dem Hinflug. Von Bombay nach Frankfurt ging dieser Flug direkt. Aber der Rückflug ist weniger kritisch, dann ist der Urlaub eh vorbei.
Also buchten wir so, um unsere Chancen bei dieser größeren Maschine zu erhöhen. Am Gate wurde uns dann mitgeteilt, die Maschine ist nicht voll, wir werden wohl mitkommen. Und so war es dann auch.
Wir sind drin, die Türen sind zu. Wir rollen zur Startbahn, die 25 Rechts.
Die Triebwerke werden lauter, die Maschine beschleunigt, kurz vorm Abheben knallt unser Pilot das Bugrad auf die Bahn und bremst wie der Teufel. Das ein Flieger so stark bremsen kann, war mir nicht klar. Mein Kopf schlug auf die Rückenlehne des Vordersitzes, dagegen war nichts zu machen. Allen an Bord ging es so. Wir wurden schnell langsamer und kamen dann auf der Bahn zum Stehen.
Der Kapitän meldete sich und merkte an, es hätte ein Lämpchen aufgeleuchtet, das beim Start nicht leuchten sollte, deshalb wolle er erst mal nachschauen, was da los ist. Wir standen auf der Bahn.
Plötzlich wurde es laut. Die Maschine, die nach unserem Start landen sollte donnerte über uns hinweg. Ihre Triebwerke liefen auf 100% und der Schall traf uns genau.
Für den Tower, so stellte ich mir vor, war jetzt höchste Konzentration angesagt. Eine Bahn war blockiert und alles geriet durcheinander. Die ganze Planung für Start und Landungen musste neu gemacht werden.
Aus meinen Gedanken riss mich die Feuerwehr, die jetzt längsseits ging. Mehr als nur ein Lämpchen, dachte ich.
Mir fiel auf, die Triebwerke laufen ja noch.
Unter Begleitung von zwei großen Löschzügen rollten wir jetzt langsam von der Bahn runter. Unser Ziel war die Halle der Lufthansa – Technik, vor der wir dann parkten. Treppen wurden angestellt und die Türen gingen auf. Ein Techniker ging ins Cockpit.
Nach einer Weile wurde angekündigt, dass wir während der Wartezeit mit Getränken versorgt werden würden. Also was Längeres. Da ich einen Fensterplatz hatte, konnte ich die Techniker herumwuseln sehen. Da, das war doch Claude, ein Techniker, den ich aus der Zeit in Kelsterbach gut kannte.
Leider konnte ich die Maschine nicht verlassen, die Flugbegleiterinnen versperrten jeden Ausgang. Dann der Kapitän, das Lämpchen hätte zu Recht geleuchtet, es gäbe ein kleines technisches Problem, das aber hier vor Ort behoben werden könnte, wir sollten die Zeit an Bord genießen. Dann der Purser, es gäbe hier am Boden das Mittagessen.
Als es mal ruhig war, fragte ich eine Stewardess, ob ich mal mit dem Kapitän reden dürfe. Dank des Dienstausweises, wollte sie zumindest mal nachfragen. Sie kam lächelnd zurück und bejahte meine Anfrage.
Den Kapitän bat ich dann nur darum, die Mühle mal kurz verlassen zu dürfen, ich hätte einen Freund unter den Technikern erkannt und wolle ihm Guten Tag sagen. Das wurde gestattet und ich befand mich kurz später auf dem Vorfeld.
Ich fand Claude auf einer Leiter oben am mittleren Triebwerk. Die Triebwerksabdeckklappen waren geöffnet und Claude hing halb drin. Als er dann endlich mal runter stieg, erkannte er mich sofort und fragte wie sei ich denn hier rein gekommen. Nicht rein, sagte ich, runter, aus der Maschine.
Mann, dann hast du ja heute Geburtstag, meinte er, und einen super Kapitän. Er erklärte mir, was beim Start passiert war. Bei voller Leistung hatte das obere Triebwerk den Umkehrschub aktiviert. Hätte der Kapitän nicht so beherzt den Start abgebrochen, wir hätten einen perfekten Crash hingelegt, denn mit zwei schiebenden und einem ziehenden Triebwerk ist ein Start nicht möglich.
Meine Gesichtsfarbe veränderte sich ins Hellere. Claude mahnte mich noch, vor der Landung niemanden davon zu erzählen, Ehrenwort.
Nach zwei Stunden, die Reparatur war erfolgreich verlaufen, sagte der Kapitän, rollten wir wieder zum Start. Ich war der einsamste Mensch an Bord, der mit richtig den Hosen voll.
Der Start und der Flug nach Athen verlief normal. Ich brauchte noch zwei Tage, bevor ich meiner Frau vom Gespräch mit Claude erzählte.