3714T, die magischen Zeichen Teil 1

Es war Sommer 1973. Zwei Jahre nach meinem Austauschjahr in dem kleinen Städtchen Waverly in Nebraska, genau in der Mitte der USA, war ich wieder da, auf meinem ersten Besuch. Ich verbrachte eine schöne Zeit mit meinen Gasteltern und Freunden. Während diesem Aufenthalt enstand die Idee im „harten Kern“ der Freunde, zusammen mit Mike, meinem früheren Physiklehrer aus der Waverly High School, wieder eine Höhlentour zu unternehmen, wie wir sie zu Halloween in meinem Austauschjahr unternommen hatten.

Ich habe die Hintergründe zu diesen Dingen schon in meiner Geschichte „Wie bekommt man den Aviation Bazillus“ und auch in „Ein Flug in die Unterwelt“ beschrieben. Eigentlich war es in diesem Sommer 1973, dass die Tradition der Flüge zu einer Höhlen- oder Kanutour entstand.

Mike hatte inzwischen seinen Beruf als High School Lehrer aufgegeben und arbeitete Vollzeit in der Luftfahrt. Er war auch Mitglied des University of Nebraska Flying Club, der mehrere kleinere Flugzeuge besaß und den Mitgliedern zum Mieten für einen erschwinglichen Preis zur Verfügung stellte. So war es Mike, nachdem die Idee einer weiteren Höhlentour nach Missouri im „harten Kern“ entstanden war, der vorschlug, eines oder zwei von diesen Flugzeugen zu mieten und nach Missouri zu fliegen, anstatt mit dem Auto zu fahren. Was für eine tolle Idee, total mit dem „Aviation Bazillus“ infiziert, stimmte ich sofort begeistert zu!

Es waren schließlich 8 Leute, die mit auf diesen Trip wollten. Mike hatte 2 Flieger für dieses Wochenende reserviert: Zwei Piper Cherokee Arrows mit Einziehfahrwerk und Verstellpropeller. Er machte mich und die anderen auch mit Tom bekannt, einem guten Freund von ihm, der die zweite Maschine führen sollte.

Freitag nachmittags trafen wir uns alle am Flughafen von Lincoln, Nebraska. Mike hatte auch arrangiert, dass 2 Kumpels uns am Zielflughafen abholen sollten, es war Camdenton, Missouri, etwa eineinhalb Flugstunden entfernt. Mike hatte einen alten Freund in Kansas City, Missouri, den Charlie. Dieser war eine regelrechte „Outdoor Nuss“, und er hatte arrangiert, dass zwei Freunde von ihm uns in die Carroll Cave führen sollten, in der Nähe von Camdenton, im Herzen der Ozark Berge von Missouri.

Auf dem Vorfeld des General Aviation Terminals von Lincoln parkten unsere zwei Flugzeuge. Es war beschlossen, dass ich bei Tom mitfliegen sollte. Die Cherokee Arrow, die er fliegen sollte, war eine Gelb-Weisse mit dem Registrationszeichen N3714T. Ich werde diese Zeichen mein ganzes Leben nicht vergessen!

Tom war ein sehr lustiger Kauz. Anscheinend hatte er erst kürzlich seinen Privatpilotenschein erworben. Es ließ mich vorne neben ihm sitzen, darüber war ich natürlich sehr glücklich! Bald starteten unsere zwei Maschinen und nahmen Kurs nach Südosten, in Richtung auf unser Ziel.

Zusammen mit Tom und mir in der Cherokee waren Tim und Dale, zwei Freunde aus der Waverly High School. In Mikes Maschine war dann Pete und zwei weitere Freunde von Mike.

Der Flug von Lincoln nach Camdenton führt einen genau über Kansas City. Wie interessant und aufregend das war, mit Kansas City Approach über Funk zu reden und von ihnen genau über den internationalen Flughafen von Kansas City geführt zu werden. Von oben konnte man die Terminals, die Landebahnen und die Flieger sehen. Nachdem wir die Kansas City Area durchflogen hatten, bekamen wir die Erlaubnis, die Kontrollfrequenz zu verlassen, wir konnten wieder mit Mike auf der Air to Air Frequenz reden.
Wir hatten inzwischen die Maschine von Mike aus den Augen verloren. Es schien, dass wir ein paar Meilen hinten an waren. Wir navigierten nach Sicht, wir verfolgten unseren Kurs auf der Luftfahrtkarte die wir auf den Knien hatten. Tom benutze nicht den VOR Empfänger, der an Bord war, und ich hatte von Funknavigation damals noch gar keine Ahnung.

Bald hörten wir über Funk Mike, der meldete, dass er Camdenton erreicht hätte, er würde über den Baseball-Lichtern kreisen, einem Sportplatz, auf dem anscheinend gerade ein Baseball Spiel stattfand. Die Dämmerung hatte inzwischen eingesetzt, bald würde es dunkel sein. Wir antworteten, dass wir die Lichter auch sähen, wir würden in ein paar Minuten dort ankommen. Mike sagte, er würde nochmal südlich der Lichter kreisen und auf uns warten.

Als wir über den Lichtern ankamen, hielten wir angestrengt Ausschau nach Mike und seiner Maschine. Aber, komisch, keine Positionslichter von ihm in Sicht! Wir hatten einen kleinen Flugplatz nördlich von dem Städtchen bemerkt, aber sollte der Flugplatz nicht südlich vom Städtchen sein? Funksprüche gingen hin und her zwischen Mike und uns, er versicherte, dass er direkt südlich vom Sportplatz mit seinen Lichtern kreisen würde, wo wir auch waren, aber wo zum Teufel war er??

Nach ein paar Kreisen wurde uns klar, dass wir nun schleunigst landen müssten, sonst würden wir in die totale Dunkelheit geraten. Tom rief nochmal Mike und sagte ihm „… ich bringe uns jetzt runter“ und begab sich dann auf einen Endanflug auf den kleinen Flugplatz. Es war aber auch höchste Zeit, wir konnten noch nicht einmal mehr einen Windsack auf dem Flugplatz ausmachen! Der Endanflug ging nach Norden hinunter auf die kleine Landebahn. Ein kleines Problem war noch der Getreidesilo, der halb im Wege war, aber Tom konnte ihn gut umkurven. Wir landeten sicher.

Nach dem Ausrollen, die Landebahn war nicht sehr lang, aber asphaltiert, kam es uns, dass dieses nie im Leben Camdenton, Missouri sein könnte! Es gab nur einen kleinen Hangar, ein oder zwei kleine Flieger waren abgestellt, und sonst nichts als Gras und Wiese. Wir parkten unsere Cherokee irgendwo und kletterten heraus, glücklich auf dem Boden zu sein, aber ratlos, wo wir nun waren!

Niemand war zu sehen. Es gab keinen Tower an diesem Flugplatz, keine Service Station, nichts! Nachdem wir eine Weile herum geirrt waren, es wurde nun wirklich dunkel, hatten wir die Idee, auf dem Fahrweg vom Flugplatz zu dem kleinen Städtchen zu laufen, welches wir aus der Luft gesehen hatten. Es schienen ein paar Kilometer zu sein.

Aber dann kam uns ein Auto entgegen! Es war – ein Sheriff! Er hielt an und musterte uns misstrauisch, besonders als wir ihn fragten, wo um alles in der Welt wir wären. Er antwortete verwundert: „Ihr seid in Buffalo, Missouri!“

Das war nun eine Überraschung. Wir eilten zurück zu unserer Maschine, zerrten die Luftfahrtkarte heraus und begannen die Sucherei. Ja, da war es auf der Karte, etwa 30 Meilen südwestlich von Camdenton. Mann, hatten wir uns verflogen!

Wir hatten nun ein Problem. Mike hatte für unsere beiden Maschinen einen Flugplan aufgegeben, und der musste jetzt für unsere Maschine geschlossen werden. Wir hatten den Funkkontakt mit Mike nach unserer Landung verloren – natürlich, wir waren auf dem Boden, zu tief um ihn über 30 Meilen hinweg zu erreichen. Besonders natürlich, da er inzwischen wohl auch gelandet war. Der Sheriff war weitergefahren, so war die Gelegenheit verstrichen, sein Funk- oder Kommunikationssystem zu benutzen, Mike zu kontaktieren und ihn wissen zu lassen, dass wir sicher auf dem Boden waren.

Aber da war ein Münztelefon an der einen Hangarwand angebracht. Sehr schön! Tom hatte die Telefonnummer vom Flugplatz in Camdenton – aber – die Wählscheibe vom Münztelefon steckte fest und war kaputt! Das Telefon selbst ging anscheinend, man konnte den Wählton hören, wenn man es hochnahm, man konnte auch Münzen hineinwerfen, aber man konnte nicht wählen. Wie geht es jetzt weiter??

Dale fand bald heraus, dass man die Wählimpulse simulieren konnte, indem man kurz den Schalter (die frühere Telefongabel) hinunterdrückte oder -klickte. Aber es ist sehr schwer, eine komplette Telefonnummer durch gleichmäßiges Klicken zu erreichen. Aber anscheinend öffnete die ganze Klickerei eine Verbindung zu einem Operator, einer Dame, die sich in die Leitung einschaltete und wissen wollte, was an diesem Anschluss los wäre. Dale erklärte die Situation ausführlich, die Dame war sehr freundlich und versprach zu helfen.

Die nette Dame bei der Telefonvermittlung bekam tatsächlich eine Verbindung zum Flugplatz in Camdenton hin und bald hatten wir Mike am Telefon. Seine erste Frage: „Wo zum Teufel steckt ihr?!“ Wir erklärten ausführlich.

Mike war froh, dass wir wohlbehalten gelandet waren. Er erwähnte, hätten wir uns nicht in Bälde gemeldet, hätte er Search und Rescue alarmiert! Puh, gerade noch mal gut gegangen! Aber nun war alles geklärt, wir verabredeten, dass wir morgen in aller Frühe in Buffalo starten und den kurzen Hüpfer nach Camdenton machen würden. Die Nacht in Buffalo verbringen würde kein Problem sein, wir hatten ja Schlafsäcke dabei und hätten in Camdenton auch irgendwo im Gras im Schlafsack übernachtet.

Wir hatten hier wirklich genug Gras und Wiese am Flugplatz in Buffalo. Aber es schien das Ende der Welt zu sein, nichts passierte um uns herum, und das Städtchen lag schläfrig in der Ferne. Schließlich entschlossen sich zwei von uns, einmal über die kleine Straße in den Ort zu laufen und zu sehen, ob sie irgend etwas organisieren könnten. Eine dreiviertel Stunde später waren die beiden zurück, mit einem Karton Bier! Das war ja mal ein etwas anregender Anblick!

Bier!
Bier!

Wir hatten bald unsere Schlafsäcke unter einer Tragfläche von 3714T ausgebreitet und das erste NLB (Nach Landungs Bier) getrunken. Aber – es war ja noch viel zu früh, um schlafen zu gehen. Also was macht man an einem so einsamen Landeplatz wie Buffalo, Missouri? Wir fanden bald heraus, dass gleich neben dem kleinen Flugplatz ein öffentliches Frei-Schwimmbad lag, das um diese Uhrzeit natürlich schon geschlossen war. Nicht eine Menschenseele weit und breit. Wir könnten doch – schwimmen gehen!

Wir mussten über den Zaun klettern. Und wir hatten natürlich keine Badeklamotten mit, aber das ist ja kein Problem, man kann ja auch nackt baden! Mitten im schönsten Spaß kamen Autolichter auf das Schwimmbad zu: Der Sheriff! Wir sprangen aus dem Pool und versteckten uns im Damen-Umkleideraum. Glücklicherweise kam der Sheriff nicht in das Gelände hinein, er war anscheinend auf einer Routine-Kontrollfahrt und wollte durch sein Scheinwerferlicht nur sicherstellen, dass alles in Ordnung war.

Nachdem er weg war, ging es nochmal in den Pool, und nach dem Schwimmen zurück zu unserem Camp unter der Tragfläche. Wir haben fast den ganzen Karton Bier ausgetrunken! Irgendwann kam einer auf die Idee, diese Geschichte in einem Foto festzuhalten, mit den ganzen ausgetrunkenen Bierdosen auf der Tragfläche – ein toller Anblick. Was wohl die Behörden zu diesem Bild gesagt hätten!

Ich kann mich nicht mehr erinnern, wann wir schließlich so müde waren, dass wir in unsere Schlafsäcke sanken. Es war vielleicht Mitternacht oder so. Mitten in der Nacht wachte ich auf und hörte eines der eigenartigsten Zwie- oder Trigespräche, das ich je gehört hatte. Ein großer Hund war an unserem Camp erschienen und schnüffelte an unseren Köpfen herum. Dann ließ er einen (nur einen) besonders lauten Beller vom Stapel: „Wauu!“ Tom antwortete sofort mit einem noch lauteren „NEIN!!“, worauf Dale etwas gequält hinzufügte „Schrei doch nicht sooo“. Dieses Gespräch wiederholte sich mehrere Male: „Wau!“ „NEIN!!“ „Schrei doch nicht sooooo“.

Um sechs Uhr morgens waren wir auf, fix und fertig und bereit zum Abflug. Wir hatten alles eingepackt, das Flugzeug beladen und die leeren Bierdosen in einem Abfalleimer am Hangar entsorgt. Wir bestiegen unseren Flieger und starteten den Motor. Aber – der gab nur einen kurzen Rülpser von sich, der Propeller machte eine halbe Umdrehung und stand dann still. Was war jetzt los?

Tom drehte noch mehrmals den Zündschlüssel, aber der Prop drehte sich nur ein paar Grad und stand wieder still. Auch bemerkten wir, dass alle Kontrollichter am Instrumentenbrett dunkel wurden, als der Anlasser betätigt wurde. Das hieß: Batterie leer. Wie nett! Was jetzt??

Warten auf Hilfe
Warten auf Hilfe

Einer von uns hatte die Idee, zur Tankstelle im Städtchen zu laufen, von der wir gestern den Karton Bier bezogen hatten. Vielleicht war schon jemand wach und könnte ein Auto zu unserem Flieger fahren und uns mit Starterkabeln Starthilfe geben. So meldete sich Dale freiwillig und wanderte zur Tankstelle, während wir anderen etwas ratlos um den Flieger herum standen und warteten.

Eine halbe Stunde später kam ein Auto auf unseren Flieger zu. Dale war drin, zusammen mit einem netten Herrn. Er hatte tatsächlich Starterkabel und war bereit, uns Hilfestellung zu geben. Glücklicherweise war die Batterie des Fliegers eine 12 Volt Type, sonst hätte die ganze Prozedur keinen Zweck gehabt! Das einzige Problem: Die Batterie von 3714T sass unter dem Gepäckraum! Also alles ausladen, die Gepäckraumabdeckung hochnehmen, die Starterkabel verbinden, den Motor starten (es funktionierte, mit Tom im Pilotensitz, natürlich!). Dann die Kabel abnehmen, die Abdeckung wieder anbringen, alles Gepäck wieder einladen gegen einen orkanartigen Wind, der vom laufenden Propeller her kam. Schließlich wurde die Gepäckraumtür geschlossen, wir krabbelten gegen den Wind über die Tragfläche und in unseren Flieger hinein.

Der Motor hielt durch, wir waren in der Luft. IN DER LUFT! Was für ein tolles Gefühl! Der Flug nach Camdenton dauerte 10 Minuten, da war schon der Flugplatz. Wir landeten, bremsten, rollten den Flieger von der Bahn und parkten ihn neben Mikes Cherokee Arrow. Und wieder hatten Mike und die anderen sich Sorgen gemacht, wo wir blieben und was wohl los wäre, das Abenteuer mit der Batterie hatte uns mehr als eine Stunde gekostet. Wir erzählten ausführlich unsere Geschichte.

Aber jetzt war alles gut. Bald kamen die Freunde von Charlie an, sie sollten uns zur und durch die Carroll Cave führen. Aber zuerst – fuhren wir zu einem Cafe in Camdenton zu einem herzhaften Frühstück. Wir hatten es uns verdient!

Dann ging es auf die Höhlentour. Es war das erste Mal, dass wir alle die Carroll Cave betraten. Mikes Freund Charlie hatte diese Höhle vorgeschlagen, und es war eine tolle Tour. Ich habe die Carroll Cave in meiner Geschichte „Flug in die Unterwelt“ näher be­schrieben.

Nach der Tour, sie dauerte den ganzen Tag, kampier­ten wir im Eingang der Höhle. Wir hatten großen Spaß. Wir planten, am Sonntag morgen zum Flugplatz von Camdenton zurück zu fahren, noch einmal zu frühstücken, und dann in aller Ruhe nach Lincoln zurück zu fliegen. Aber man glaubt es nicht, als wir unseren Flieger 3714T am Sonntag morgen bestiegen, war die Batterie wieder alle!

Starthilfe
Starthilfe

Glücklicherweise gab es zahlreiche Autos am Flugplatz, und einer gab uns wieder Starthilfe. Wir kannten nun die Prozedur schon, luden den Flieger gegen den Propeller­sturm. und waren bald in der Luft und nahmen Kurs auf Lincoln. Dieses­mal flogen wir in nicht weiter Entfernung von Mikes Flieger und hielten Kontakt auf der Air to Air Frequenz.

Es war interessant, Formation mit Mike zu fliegen, es gab ein paar tolle Bilder von einander in der Luft. Wir flogen wieder durch die Kansas City Area und näherten uns bald Lincoln. Aber etwas war komisch, Mike war plötzlich so still und antwortete nicht mehr auf unsere Funksprüche. Wir riefen und riefen nach ihm, aber keine Antwort! Und dann – bemerkten wir dass nach und nach alle Instrumente ausfielen, die irgendwie mit elektrischem Strom betrieben wurden. Keine Kontroll-Lichter leuchteten mehr, das Funkgerät war dunkel, nur die normalen Fluginstrumente ohne Strom wie Höhenmesser, Fahrtmesser, Variometer und Wendezeiger funktionierten noch. Was in aller Welt war jetzt wieder los? Die einzige Erklärung: Die tote Batterie muss wohl so einen Strom gezogen haben, dass nun die Lichtmaschine einen Spagat machte. Und deshalb funktionierte die Funke nicht mehr. Glücklicherweise läuft der Motor durch Magnetzündung und deshalb unabhängig von der Lichtmaschine. Aber – wir brauchten Strom, wir mussten ja mit dem Tower in Lincoln reden, um in die Kontrollzone zu kommen, und das Fahrwerk wurde auch durch elektrischen Strom herausgelassen. Wir nahmen an, dass Mike mitbekommen hatte, was unser Problem war und dass er für uns beide die Einflug Freigabe vom Tower holen würde, so folgten wir ihm einfach in die Kontrollzone. Während wir auf den Endanflug drehten, betätigte Tom den Schalter für das mechanische Herauslassen des Fahrwerks durch Schwerkraft, er sagte auch dass es einige Federn gäbe, die das Herausfallen des Fahrwerks unterstützen würden.

Formationsflug
Formationsflug

Es war jetzt um die Mittagszeit herum und deshalb recht warm geworden. Das hieß: Thermik und recht wackelig. Wir hatten nicht hören können, ob das Fahrwerk raus gekommen war und durch die Turbulenzen hatte man auch nichts gespürt. Jetzt was? Tom entschloss sich, durchzustarten, schob den Gashebel nach vorne und ging wieder in den Steigflug über. Wir waren alle recht verwirrt. Was jetzt tun? Wir bemerkten ein grünes Licht vom Tower, ah, sie hatten unser Kommunikationsproblem registriert und gaben uns die Landung frei. Irgendwie hätten sie ja auch bemerken müssen, ob unsere Räder draußen waren, sonst hätten sie uns ja nicht Dauergrün gegeben, oder doch?? Tom flog eine saubere Platzrunde und bereitete sich auf einen neuen Anflug auf Landebahn 17L vor. Währenddessen kam mir ein Gedanke. Ich nahm eine der Luftfahrtkarten und bog sie zu einer Röhre, stülpte diese über die Kontroll-Leuchten für das Fahrwerk und schaute am anderen Ende der Röhre hinein. Es war dunkel in der Röhre, und ich sah die Leuchten ganz schwach grün glimmen. Also waren die Räder draußen, oder etwa nicht?? Tom flog den Endanflug weiter und fing den Flieger ab. Es war ein sehr komisches Gefühl, was einen beschlich, würden wir jetzt das normale Quietschen der Räder hören oder ein Krachen?? Aber dann – QUIETSCH, und 3714T saß auf der Bahn. Puh!

Nach dem Abbremsen rollten wir auf das Vorfeld und parkten den Flieger neben Mikes. Er und seine Passagiere waren inzwischen ausgestiegen und hatten ungeduldig auf uns gewartet. Mike fragte, warum wir durchgestartet waren, verstand dann aber unser Problem als wir es erklärten. Er meine noch, er wäre ja wie ein Verrückter zur Bahn gelaufen und hätte mit den Armen gefuchtelt, hätte er gesehen, dass unsere Räder nicht draußen waren. Aber so – war ja alles gut gegangen, wir waren sicher am Boden und unser Abenteuer mit 3714Tango (neben der tollen Höhlentour) war zu Ende.

Hummel 7

Auf den meisten Flughäfen ist die Polizei mit einer Hubschrauberstaffel vertreten, so auch bei uns. Die Polizei residierte in der Halle 8, der LTU-Halle, am Ostrand des Flughafens. Die Helikopter trugen das Rufzeichen „Hummel“ gefolgt von einer Nummer.

Da die Polizeieinsätze der Hummeln nicht planbar waren, musste die Zusammenarbeit mit uns Besonders sein, was sie natürlich auch war. Von uns, dem Personal des Towers, wurde die Polizeikantine der Staffel besonders geschätzt. Es handelte sich eigentlich schon um ein gemütliches Kasino mit hervorragendem Futter zu guten Preisen.

Eines Tages, während eines Gespräches mit den „Bullen“ (ist hier liebevoll und respektvoll gemeint) in deren Kasino, fragte ich blauäugig, ob es wohl mal möglich wäre mit der Hummel mitzufliegen. Zu meinem Erstaunen war die Antwort: „Na klar, selbstverständlich!“

Das alles war, an einem herrlichen, sonnigen Sonntagmorgen, so um sechs Uhr dreißig, schon lange vergessen, als plötzlich von den „Bullen“ über Funk angefragt wurde, ob ich im Dienst war. Klar, ich war im Dienst, aber wie! Samstag war Party und ich noch nicht so richtig wach. Außerdem lag mir der Mitternachtssnack Marke Gulaschsuppe noch schwer im Magen.

An mir vorbei arrangierte der Towerchef mit dem Wachleiter in der Radarkontrolle, dass ich heute Hummel fliegen sollte. Im Prinzip klasse, Dienst im Hubschrauber, mal was anderes, mein Magen war nicht so richtig einverstanden, er wirkte etwas unschlüssig.

„Cleared to hover in front of the tower“ plärrte kurze Zeit später die Funke. Ende meiner internen Diskussion mit meinem Magen, ich musste runter. Hummel 7 war eine Alouette 3, vom Tower aus eher winzig, wurde, je näher ich kam, immer größer und vor allem, immer lauter. Die Crew, 2 Mann, waren sehr nett.

Was ich absolut nicht schnallte, war die Umkehrung der Verhältnisse zwischen Flugsicherung und Piloten der Staffel. Normal gaben wir die Anweisungen und die Jungs hatten sich dran zu halten. Jetzt hatten die einen von der anderen Seite an Bord und damit die Legitimation dem mal zu zeigen, was sie denn so drauf hatten. Außerdem wussten sie, dass jeder auf dem Tower wusste, dass ich an Bord war und dementsprechend jede Freigabe bekommen würden, die sie wollten.

Das nutzten sie schamlos aus und beantragten einen besonderen Luftraum nur für sich, um „Flugversuche“ durchzuführen. Da spätestens hätte es mir dämmern müssen, aber mein Magen meldete sich gerade beim Steigflug, so dass es mir entgangen ist.

In sehr freundlichem Ton fragte mich der Pilot, ob ich schon mal was von Autorotation gehört hätte. Hatte ich nicht, Gott sei Dank, denn schon den Gedanken daran hätte mein Magen nicht verkraftet.

Es ging los…

Der Helikopter stieg sehr hoch, die Jungs vorn nestelten an ihren Gurten.
Dann stellte der nette Pilot das Triebwerk ab!!!

Es wurde still.

Es passierte erstmal nichts. Dann begann sich der Heli langsam um seine Hochachse zu drehen. Erst war es wie Karusselfahren.

Dann wurde es immer schneller.
Die Fliehkraft nagelte zuerst meine Arme an meinen Körper. Dann begann ich mich langsam die Rückenlehne raufzuschieben. Als ich die Decke erreicht hatte, war ich absolut bewegungs- und orientierungslos.

Jetzt begriff ich, warum die beiden die Gurte festgezogen hatten, ich klebte wie eine tote Mücke, völlig hilflos, zwischen Decke und Lehne des Helikopters. Was ich noch wahrnahm, die Erde kam schnell näher
.
Wie durch ein Wunder startete das Triebwerk wieder und ich klatschte wie ein Sack in meinen Sitz. Mein Magen war Geschichte, nicht mehr vorhanden, ich war hellwach.

Nach, zugegeben, zynischen Fragen nach meinem Befinden, entspannte sich die Atmosphäre, anscheinend hatte ich bestanden, und der Flug verlief in geruhsameren Bahnen. Jetzt war Zeit für unseren Auftrag. Ölverschmutzung auf dem Rhein durch die Flussschiffer aufspüren. Diesen Auftrag nutzten die beiden vorn um ihren Spaß zu haben. Sie verbargen sich hinter den Pappelreihen am Ufer und warteten, bis ein Schiff auf gleicher Höhe war. Dann, mit Speed, über die Pappeln hinweg direkt auf das Schiff zu um neben der Brücke zu schweben.

Ölsünder Fehlanzeige, aber die beiden hatten es auf eine andere Situation abgesehen, die sie köstlich amüsierte, war aber auch komisch. Beim Sturz des Helis auf das Schiff zu stand eine dicke Frau am Steuer des Schiffes. Dann schlug eine Tür auf und ein dicker Mann rannte auf die Brücke, schubste die Frau weg und hupte eifrig mit dem Schiffshorn. Das war der Schiffsführer. Diese Szene deutete darauf hin, dass die Frau kein Patent hatte. Delikt, Führen eines Schiffes ohne Erlaubnis.

Auch der Lautsprecher am Heli erwies sich als sehr wirkungsvoll. Der Satz, der am besten kam, war: „Hier ist Angeln verboten!“ Völlig verdutze Gesichter blickten ruckartig nach oben und blieben dann zurück.

Gegen zehn Uhr meinten die beiden, es sei Zeit für das Frühstück. Wir flogen in den Duisburger Hafen und landeten neben einem Cafe mit Terrasse. Motor aus, Funke auf maximale Lautstärke und ab zum Frühstück.

Ein eigenartiges, fremdes Gefühl beschlich mich, als die Gäste uns genauer musterten. Die Gäste waren irgendwie, nicht beweisbar aber ohne Zweifel, alle schuldig, so wie sie uns ansahen. Die beiden Piloten waren sich ihrer Wirkung bewusst und sprachen freundlich mit den Leuten und brachen das Eis, sie entspannten und meine erste Vermutung löste sich in Wohlgefallen auf, keine Verbrecher, normale Leute. Was die Gäste von mir, dem schlecht gekleideten Zivilisten, hielten, blieb mir verborgen.

Kurz nach unserer Stärkung ließ sich das Funkgerät hören und wir rannten zum Heli. Zur Beruhigung, wir hatten schon bei der Bestellung bezahlt. Neuer Auftrag, eine Verfolgung.

Ab jetzt war ich abgemeldet, die beiden Piloten mussten sich auf drei verschiedenen Frequenzen mit den zuständigen Diensten absprechen.

In einer kurzen Funkpause baten sie mich die Kommunikation mit der Kripo zu übernehmen. Unser Auftrag war einen hellblauen Porsche auf der Autobahn ausfindig machen und die Polizeikräfte am Boden so zu lenken, dass der Porsche aufgehalten und der Fahrer festgenommen werden konnte. Der Fahrer war von einer Autobahnstreife als Gewaltverbrecher identifiziert worden und sie wollten ihn unbedingt stellen.

Für uns hieß das erstmal Höchstgeschwindigkeit. Nach zehn Minuten Flug hatten wir den Porsche gefunden, er fuhr mit sehr hoher Geschwindigkeit auf der Autobahn Richtung Düsseldorf. Als er uns bemerkte vollführte er einen Angstschlenker und wurde noch schneller.

Ich war ständig damit beschäftigt die Position und die Richtung durchzugeben, das ist, wenn man nicht darin geübt ist, schwierig. Nach einer Weile hatte ich mich an den Ton und die Spezialausdrücke gewöhnt und es begann Spaß zu machen. Der Porsche raste jetzt in die Stadt und unser Pilot war gezwungen alle fliegerischen Register zu ziehen. Wir schossen so flach über die Häuserreihen, dass ich befürchtete eine Fernsehantenne würde uns runterholen.

Natürlich wusste der Porschefahrer jetzt, dass wir hinter ihm her waren und missachtete jetzt alle Verkehrsregeln. Ich dachte es wäre sicherer die Verfolgung aufzugeben, denn das Risiko andere zu gefährden erschien mir viel zu hoch. Aber die Kripo bestand auf der Verfolgung, der Mann musste wichtig sein, denn sie wollten ihn unbedingt. Also blieben wir dran.

So aus der Luft erschließt sich die Taktik der Polizei sehr gut, die Einsatzfahrzeuge werden in einem großen Ring angeordnet, der sich nach unseren Positionsmeldungen immer mehr zusammenzog. Damit schwanden die Möglichkeiten für den Delinquenten zu entwischen zusehends. Nahe einer Fabrikhalle schnappte dann die Falle zu, überall, in jeder Straße Polizeifahrzeuge, er hatte keine Chance mehr.

Nach fünfeinhalb Stunden setzte mich der Helikopter wieder vorm Tower ab. Man kann sich nach so einem Abenteuer ehrlich auf den Dienst im Tower freuen, man glaubt es nicht, aber es ist so.

Hummel 7